Weltunordnung · Die globalen Krisen und das Versagen des Westens by Masala Carlo

Weltunordnung · Die globalen Krisen und das Versagen des Westens by Masala Carlo

Autor:Masala, Carlo [Masala, Carlo]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Sachbuch
ISBN: 9783406699191
Herausgeber: Beck, C.H. Verlag
veröffentlicht: 2016-10-27T00:00:00+00:00


Ad-hoc-Koalitionen als Alternative

Trotz gegensätzlicher Auffassungen über die zukünftige Ordnung des internationalen Systems und trotz zahlreicher Versuche, auf weichem Wege Gegenmachtbildung zu betreiben, kommt es doch auch immer wieder zu Kooperationen zwischen den gegenwärtigen und den aufstrebenden Großmächten – sei es im Bereich der militärischen Interventionen (Bosnien, Kosovo, Afghanistan), der diplomatischen Initiativen (Atomgespräche mit Iran, Friedensverhandlungen für Syrien, Anti-Piraterie-Mission am Horn von Afrika, nordkoreanisches Nuklearprogramm) oder aber auch auf Feldern wie der globalen Gesundheitspolitik. Diese Form von Ad-hoc-Kooperation wird das bestimmende Muster der Zusammenarbeit von Staaten im 21. Jahrhundert sein. Sie ist dadurch gekennzeichnet, dass sie außerhalb des existierenden institutionellen Gefüges stattfindet, das von den westlichen Staaten nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges auf- und ausgebaut wurde. Zudem wird sie nicht oder nur geringfügig institutionalisiert und konzentriert sich ausschließlich auf ein bestimmtes Problemfeld.

Der Trend, dass sich Staaten immer häufiger weg von internationalen Organisationen und hin zu kaum institutionalisierten Methoden der Kooperation bewegen, in denen die Zusammenarbeit durch lockere Vereinbarungen, implizite Regeln sowie durch fehlende Sanktions- und Verifikationsmechanismen gekennzeichnet ist, wird in der Forschung zur EU als «open method of governance» bezeichnet, in der internationalen Politik als «Informalisierung»,[40] «counter-multilateralism»,[41] «Direktorate»[42] oder als «effektiver Multilateralismus».[43] So wenig Einigkeit in der Bezeichnung dieses Trends existiert, so dünn ist unser Wissen hinsichtlich der Frage, warum und wie es zu diesen Ad-hoc-Koalitionen kommt.

Seit dem Ende des Kalten Krieges beobachten wir einen «move from institutions».[44] Bestehende Organisationen werden schrittweise entwertet und neue Formen internationaler Kooperation werden erprobt. Diese neuen Formen reichen von Kontaktgruppen zur Lösung der regionalen Konflikte, informellen Friends-of-Gruppen im Rahmen der Vereinten Nationen über militärische «coalitions of the willing and able» bis hin zu der Etablierung alternativer Organisationen, wie der Impfallianz als Konkurrenz zur WHO. All diesen Formen ist gemein, dass sie in Sachbereichen initiiert werden, in denen es bereits Institutionen gibt, die eigentlich für die Übernahme bestimmter Aufgaben vorgesehen wären. Insbesondere im Bereich der Sicherheitspolitik kann man seit 9/11 den Trend zu Ad-hoc-Koalitionen beobachten. Die Sicherheitspolitik gehörte im 20. Jahrhundert, wenn es überhaupt zur Kooperation kam, zu den am stärksten verregelten Bereichen in der internationalen Politik. Denn die vielfältigen Möglichkeiten, sicherheitspolitische Verträge nicht einzuhalten oder Vertragsparteien zu täuschen, erfordern belastbare Verifikations- und Sanktionsmechanismen[45] und somit ein hohes Maß an Verregelung und Institutionalisierung.

Der Trend zum «neuen Multilateralismus» spricht dafür, dass eine kritische Menge von Staaten mit den bestehenden Institutionen und ihrer Arbeitsweise unzufrieden ist. So sehen die BRICS-Staaten in den Vereinten Nationen eine Institution, die primär westlichen Zielen dient und die in ihrer Struktur und ihren Verfahrensweisen ein Relikt des Ost-West-Konfliktes ist. Spiegelbildlich sehen die USA in derselben Institution, die sie ja maßgeblich mitbegründet haben, einen wesentlichen Hemmschuh für schnelles und effektives Handeln. So empfinden es die Vereinigten Staaten seit 1990 als zunehmend inakzeptabel, dass sie, die einzig übriggebliebene Supermacht, noch immer durch die Regeln des Sicherheitsrates gebunden sind. Geht man auf die regionale Ebene herunter, so sind sich die führenden NATO-Staaten (USA, Deutschland, Großbritannien und Frankreich) stillschweigend darin einig, dass militärisches Handeln in einer von 16 auf 28 Staaten angewachsenen Allianz, deren Abstimmungsprocedere auf



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